21. Dezember 2020
KSZ trauert um ihren langjährigen Direktor Prof. Dr. Anton Rauscher SJ
Am Montag, den 21. Dezember 2020 ist der langjährige Direktor der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ), Prof. Dr. Anton Rauscher SJ im Alter von 92 Jahren in Augsburg verstorben.
Prof. Dr. Peter Schallenberg, seit 2010 sein Nachfolger als Direktor der KSZ, würdigt ihn in dankbarer Erinnerung:
Am vergangenen Montag verstarb im gesegneten Alter von 92 Jahren mein Vorgänger im Amt des Direktors der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle der Deutschen Bischofskonferenz in Mönchengladbach, P. Prof. Dr. Anton Rauscher SJ.
Der renommierte und einflußreiche Sozialethiker und Jesuit war als gebürtiger Münchner zu den philosophischen und theologischen Studien an die Gregoriana nach Rom und ins dortige Germanicum geschickt worden; dort wurde er 1953 zum Priester geweiht. 1956 erfolgte seine Dissertation und auch sein Eintritt in den Jesuitenorden. Schon 1963 übernahm er nach dem plötzlichen und frühen Tod seines Mitbruders Gustav Gundlach SJ die Leitung der kurz zuvor auf Initiative von Joseph Höffner in Mönchengladbach gegründeten KSZ, einer Einrichtung der Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken zur Verbreitung der katholischen Soziallehre. Die Idee war gewesen, an Stelle des 1890 auf Initiative des katholischen Fabrikanten Franz Brandts (1834-1914) in Mönchengladbach gegründeten und von den Nazis aufgelösten Volksvereins für das katholische Deutschland eine zeitgemäßere Zentralstelle zu etablieren, um die Prinzipien der Soziallehre in konkrete politische und ökonomische Debatten und Entscheidungen zu transportieren und damit zu einer gerechten Gestaltung der Gesellschaft und der Wirtschaft beizutragen. Zusätzlich zu seiner Professur für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Augsburg von 1971-1996 widmete sich Anton Rauscher unermüdlich dieser Aufgabe bis zur Pensionierung 2010 in Mönchengladbach.
Sein Schlüsselwort war tatsächlich die Gerechtigkeit. Näherhin die soziale Gerechtigkeit im Anschluss an die bahnbrechenden Darlegungen seines Ordensbruders und Professors an der römischen Gregoriana Luigi Taparelli d’Azeglio SJ aus dem Jahre 1849, dem Beginn der modernen katholischen Soziallehre, vierzig Jahre vor der ersten Sozialenzyklika „Rerum novarum“ 1891 von Papst Leo XIII. Natürlich griffen diese Ideen auch auf den Frühkapitalismus der Franziskaner in der Toscana im 14. Jahrhundert und auf die Schule von Salamanca im 16. Jahrhundert zurück: Ziel war nicht eine Verchristlichung der Gesellschaft, sondern dessen notwendige Vorstufe, da doch Gnade die Natur voraussetzt: die Schaffung gerechter und menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsverhältnisse, und dies in Zusammenarbeit über alle konfessionellen Grenzen hinweg. Eine Ökumene der Sozialethik und der Wirtschaftsethik brach sich Bahn, eine Zusammenarbeit auch über Parteigrenzen hinweg zum Wohl eines starken Sozialstaates.
Anton Rauscher war dabei unermüdlich und zugleich prinzipientreu, manchmal bis zum Eigensinn. Er berief sich zur Schaffung von gerechten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen immer auf das Naturrecht, auch als dies nach dem II. Vaticanum allmählich in Deutschland unpopulär wurde. Das focht ihn nicht an; für ihn bildeten die vier Grundpfeiler des Dekalogs zugleich die Basis des Naturrechts und des Staates und seiner Wirtschaftsordnung: Schutz des Lebens, der Wahrheit, des Eigentums, der Ehe und Familie. Und Anton Rauscher vermochte diese Grundordnung bin in kleinste Konkretionen durchzudeklinieren, in unzähligen Veröffentlichungen zu Arbeitsschutz und Eigentumsverpflichtung, zu Lohngerechtigkeit und Mitbestimmung. Nichts kennzeichnet vielleicht das Denken Anton Rauschers besser als seine Einleitung in das von ihm herausgegebene monumentale „Handbuch der Katholischen Soziallehre“ (Berlin 2008), gebündelt in dem Satz: „Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Liebe und Treue, Frieden: Die geistig-sittlichen Werte sind nach wie vor die tragenden Fundamente des Lebens und des Zusammenlebens.“ Das bewegte ihn und die katholische Soziallehre bis heute: Wie lassen sich die metaphysischen Ideale und Grundlagen des Staates sichern und entfalten?
Wir gedenken seiner im Gebet und bei der Feier der Heiligen Messe.